Von Madras (oder Chennai) nach Mahabalipuram (oder Mamallapuram)

Endlich sitzen wir abends auf unserer Terrasse mit Meerblick, sind satt, hundemüde und gespannt, was die nächste Zeit so bringen wird. Der Flug war schnell vorüber auch wenn wir drei Zwischenlandungen hatten: Bahrain, Dubai, Muskat... es gibt nichts darüber zu berichten da es immer nur eine Stunde dauerte, Flug,Stop,Flug,Stop... Jörn wurde es schon ziemlich mulmig im Magen, er liebt die Starts und hasst die Landungen. Auf der Strecke nach Madras haben wir ein wenig geschlafen, es war ja auch mittlerweile 3 Uhr früh und so kamen wir ziemlich erledigt in Madras an. Die Taxifahrer belagerten uns, der Bankangestellte beim Change-Office gab uns einen Vorgeschmack auf die indische Beamtenbehäbikeit. Wir fanden schnell den Airport-Bus doch der fährt erst, wenn er voll ist, so versicherte ein Tuk-Tuk-Fahrer. Nach langen Verhandlungen fuhren wir mit ihm. Er machte zwar das Geschäft des Tages mit uns, aber er hielt später den Bus nach Mahabalipuram auf offener Strecke für uns an und ersparte uns so die Millionenstadt Madras, die wir sowieso nicht auf unserem Besuchszettel hatten. Nach endlos erscheinender Busfahrt im ungewohnt tropischem und sehr feuchtem Klima (es hatte offensichtlich vor kurzem geregnet) erreichten wir endlich gegen Mittag Mahabalipuram, der Ort, der uns schon zu Hause wegen seines Namens inspiriert hatte. Als wir dann noch einiges über seine sehr interessante Geschichte in Erfahrung brachten (wichtigste archäologische Fundstätte Südindiens mit schönem Strand) erkoren wir den Ort zu unserem Startpunkt für den Trip durch Südindien.


Gestern noch in Oldenburg und heute Mahabalipuram

In Mahabalipuram am Busbahnhof angekommen rissen sich gleich drei Schlepper um uns, jeder hatte die schönsten und billigsten Zimmer im Angebot. Obwohl wir ja wissen, daß es mit Schlepper immer teurer wird, weil wir andererseits aber schon so erschöpft waren, dass wir einfach schnell ein Bett haben wollten, ließen wir uns von dem sympathischsten von ihnen zwei Hotels zeigen, die allerdings gar nicht unserer Vorstellung und Preislage entsprachen, aber er hatte natürlich auch ein günstiges Zimmer mit Meerblick im Angebot. Wir wurden uns mit dem Vermieter handelseinig und blieben hier die ersten Tage, wobei unser Schlepper jeden Tag wieder aufkreuzte um sich seine Provision beim Vermieter abzuholen. Nachmittags nach kurzem, schweißtreibendem Schlaf erkundeten wir schon mal ein bißchen den Ort. Er ist sehr lebendig, erinnert schon ein wenig an Sri Lanka, wo wir bereits einige Male waren, macht aber insgesamt ebenso wie seine Bewohner einen wesentlich ärmlicheren und schmutzigeren Eindruck. Viel Müll allenthalben, dunkle Nebenstrassen, Ziegen, Kühe und Hunde suchen auf Müllhaufen nach Eßbarem. Wir werden dauernd angesprochen ob wir nicht etwas kaufen wollen oder etwas zu verschenken haben. Wir haben Hunger! An der Hauptstrasse gibt es mehrere kleine Restaurants, die wie in Sri Lanka "Hotel" heißen, aber keine Zimmer sondern einheimisches Essen anbieten. Wir zeigen auf die Karte an der Wand wo so etwas ähnliches wie Nasi-Goreng abgebildet ist und bekommen etwas ganz anderes: Große dreieckige und knusprige Fladen mit scharfer Kokos-Soße. Lecker, wie wir später erfahren, heißen die Dinger Dosai.

Frisch gestärkt machen wir uns auf zum Tempelbezirk: Die Tempel, die am Strand auf Fels errichtet wurden, entstanden zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert unter der Herrschaft der den Tamilen zugerechneten Pallava-Dynastie. Sie wurden aus Felsen herausgemeißelt. Während dieser Zeit war Mamallapuram einer der wichtigsten Hafenstädte des gesamten tamilischen Reiches. Die Heiligtümer dienten zu dieser Zeit daher nicht nur als Tempel, sondern mit Leuchtfeuern auch als Navigationshilfe für Seefahrer. Auf den in den Fels gemeißelten Reliefs sind Sagen, Mythen und Alltagsszenen dargestellt. Viele dieser Reliefs sind heute unter dem Einfluss des Seeklimas zum Teil zerfallen. In einigen der Tempel stehen ebenfalls Götter- und Tierskulpturen. Viele Bauwerke blieben jedoch unvollendet. Nach dem Fall des Tamilenreichs verbreitete sich der Shivaismus, weshalb die meisten der Heiligtümer dem hinduistischen Gott Shiva geweiht sind (Quelle: Wikipedia).
Beeindruckend der gute Erhaltungszustand der meisten Tempel und Reliefs, wenn man bedenkt, daß sie schon mindestens 1200 Jahre alt sind. Auch hier wurden wir ständig angesprochen von Schleppern, die uns die Geschichte der Tempel erzählen bzw. Andenken verkaufen wollten oder von Familien für ein Familienfoto, denn Mahabalipuram ist auch ein beliebter Ausflugsort indischer Touristen. Nach dem dritten Familienfoto und dem zwölften Schlepper entfliehen wir auf einen Hügel mit Leuchtturm, wo uns zwar einige Ziegen und Affen anbetteln, dafür uns aber ein toller Ausblick aufs Meer, auf die Tempelanlagen und Reisfelder und endlich ein wenig Ruhe entschädigt.


Beeindruckende Tempelanlagen...

..Familienfoto Nummer drei...

... und endlich Ruhe "on top of the hill..."mit Leuchtturm und Ziegen

So langsam erst kommt uns zu Bewußtsein, dass dies hier alles kein Film sondern wir ja schon in Indien und erst gestern noch im winterlich kalten Frankfurt gestartet sind. Der erste Tag in Asien hat immer etwas traumhaftes an sich, man fällt unversehens in eine völlig andere Kultur, Klima- und Zeitzone. Man kann nur Staunen und alles um einen herum läuft noch ein wenig wie im Nebel ab: Irgendwie ist der Kopf noch nicht ganz angekommen.
Es wird wieder Zeit fürs Essen, wir gehen wieder in unser Restaurant von heute Mittag, bestellen uns noch mal die leckeren Dosais und bekommen: das was wir eigentlich heute Mittag haben wollten, Reis mit Prawns und Ei, egal, auch sehr lecker und zu Nachtisch noch ein paar Banana-Fritters. Wir entdecken in einer Nebenstrasse eine kleine Schneiderei mit sehr netten Leuten und einer luftigen Hose für Jörn und einem schönen längeren Rock für mich, meine kurzen kommen mir hier irgendwie unpassend vor. Da die Sachen noch nicht ganz passen, sollen sie ein wenig abgeändert werden und bis morgen abend fertig sein. Abends machen wir noch einen Spaziergang am Strand, der hier offensichtlich nicht nur von Touristen sondern auch noch von einheimischen Fischern in steinzeitlich anmutenden Holzbooten genutzt wird. Zum Sonnenuntergang noch mal auf unseren Affenhügel, der Leuchtturm ist nun in Betrieb und sendet sein Blinkzeichen auf die Bucht von Bengalen... mal sehen was der morgige Tag so bringt!



Dösen unter Krishnas Butterkugel
10 Stunden geschlafen, das tat gut! Nun sind wir fit für Indien. Irgendwie haben wir den Eindruck es wäre Sonntag (obwohl kein Sonntag ist), alle Geschäfte haben noch zu und viele Leute laufen in ihrem Sonntagsdress herum, die Tempelschreine sind mit Blumen geschmückt. Na gut, dann machen wir heute eben auch erstmal halblang und lassen alles langsam angehen. Ein bißchen Strand, ein wenig wandern, ein paar Tempelruinen, ein Museum, ein tolles Foto von einem Inder, der im Schatten von "Krishnas Butterkugel" döst (einem riesigen Felsblock, der jeden Moment herunterzurollen droht) und nachmittags wieder auf unseren Lieblingsplatz oben auf dem Hügel mit kleinem mitgebrachtem Picknick, wovon die Affen allerdings auch ihren Anteil fordern. Als wir dann wieder ins Dorf kommen, sind alle Geschäfte, viele Häuser und Autos mit Blumengirlanden geschmückt und allenthalben werden Knaller angezündet und Kürbisse auf den Strassen zerschmettert, in denen Münzen versteckt waren, die sich die Kinder aufsammeln. Wir fragen Passanten und erfahren, daß heute tatsächlich ein Feiertag ist, es ist "Shop-Cleaning-Day", der Tag an dem dafür gebetet und geopfert wird, daß die Geschäfte gut laufen. Gegen Abend wollen wir unsere Sachen in der Schneiderei abholen, aber: "Sorry, today Shop-Cleaning-Day", naja, konnte keiner mit rechnen.... Zum Tagesausklang gibt es noch eine Tempelprozession durch den Ort mit anschließendem Feuerwerk und die Strassen sind voller Menschen und dann fällt plötzlich der Strom aus, das war wohl alles ein wenig zu viel für die dünnen Stromleitungen und für uns auch. Wir ziehen uns zufrieden und überwältigt in unser Guesthouse zurück und lassen den Tag auf unserer Terrasse ausklingen.

Am nächsten Morgen ist wieder Alltag eingekehrt, alle Läden haben auf, unser Schneider hat sich ins Zeug geschmissen und tatsächlich die bestellten Sachen fertig. Nachts hat es wieder heftig geregnet und die Reisfelder sind teilweise so hoch überschwemmt, dass die Hütten der Bauern im Wasser zu schwimmen scheinen. Wir finden einen Moped-Vermieter und leihen uns eine kleine Maschine um heute gleich mal einen Ausflug in die Umgebung zu unternehmen. Im Reiseführer finden wir einen Hinweis auf eine Crocodile-Farm 15 Km Richtung Norden. Es ist eine schöne Anlage mit schattenspendenden Bäumen, vielen verschiedenen Krokodilarten und wir beobachten die Echsen beim Sonnenbaden und bei der Fütterung. Gut, dass sie nicht wissen, dass aus ihnen irgendwann Handtaschen und Schuhe werden, denn das ist der Hauptgrund, wofür sie hier gezüchtet werden. Zurück tingeln wir einfach ein bißchen übers Land, verfahren uns, bis wir überhaupt nicht mehr wissen wo wir sind. Je weiter weg von der Hauptstrasse, desto freundlicher lächeln uns die Menschen zu, geben Hinweise für die Richtung, sprechen allerdings auch kaum noch englisch und so orientieren wir uns mehr am Sonnenstand und finden auch irgendwann nach Gefühl die Hauptstrasse wieder. Das war doch schon mal ein schöner Ausflug heute, morgen wollen wir einfach mal in die andere Richtung aufs Land fahren, muß ja nicht immer was Spektakuläres sein, Indien ist einfach so schon spektakulär genug!


Die schwimmenden Hütten nach dem Gewitterschauer

Wir haben unser Moped und gehen auf Entdeckungstour

Bissige Handtaschen
Durch frühlingsgrüne Reisfelder und an Reis erntenden Menschen vorbei, die uns freundlich zuwinken, geht unsere Erkundungstour gleich am nächsten Morgen weiter. Mitten auf der Strasse werden Reisähren ausgebreitet und von den darüber fahrenden Bussen und LKWs "gedroschen". Das Dreschgut wird dann noch in den Wind gestreut und so die Spreu vom Weizen bzw. Reis getrennt. Wir sehen den Leuten bei ihrer Arbeit zu und versuchen ein wenig Konversation. Wir fahren weiter, kommen in ein kleines Dorf wo wir offensichtlich die Sensation sind. Alle starren uns an, als wir am Marktplatz einen Tee bestellen. Danach machen wir einen Spaziergang durchs Dorf. Auch hier war offensichtlich Shop-Cleaning. Die Läden sind z.T. noch mit Blumen und Bananenstauden geschmückt. An einer Strassenecke ein Stand mit fritierten Teigtaschen, gefüllt mit scharfen Gemüse und Huhn-Currys. Auch sehr lecker und zum Nachtisch gibt es wieder den schön süßen Milk-Tea. Ein nettes Dorf, wenn auch sehr müllig, im Vergleich zu Indonesien oder Sri Lanka scheint es hier noch normal zu sein, den Müll einfach an Ort und Stelle fallen zu lassen, wird schon jemand wegmachen. Da müssen wir uns wohl dran gewöhnen in Indien. Das Leben in den Dörfern und Städten ist für uns viel lebhafter als in anderen asiatischen Ländern. Es sind viel mehr Menschen auf den Strassen, der Kontrast von arm zu reich ist viel größer, überall sind Ziegen, Kühe, Hühner auf den Strassen, Kinder spielen dazwischen, wir können manchmal gar nicht glauben, daß das alles kein Traum ist, was wir da sehen und erleben.
Nach unserer Spazierfahrt, die wunderschön und aufregend war - so lieben wir es, mit dem Motorrad unterwegs, anhalten wo wir wollen, die Leute hautnah und in ihrem Alltag erleben, das ist für uns Abenteuer pur - fahren wir zurück nach Mahabalipuram und entdecken noch ein neues Restaurant wo viele Inder gerade zu abend essen. Wir zeigen zum Bestellen einfach auf den Nachbartisch und bekommen dann prompt 5 Portionen und 4 Tee, alles dabei, Dosais, Chapatis, Dhal, verschiedene Soßen, alles sehr lecker und noch Joghurt zu Nachtisch und können gar nicht glauben als der Ober dann nur €1,30 haben will. Abends noch ein Spaziergang am Strand entlang, etwas weiter abseits des Dorfes entsteht gerade ein großes Beach-Resort. Der Tourismus ist hier wegen der vielen Tempel und schönem Sandstrand (leider auch der etwas vermüllt) sicher entwicklungsfähig. Wir sind froh, daß wir keine Pauschalreise gebucht haben und frei und unabhängig entscheiden können, wie und wohin es weiter geht.
Morgen früh wollen wir weiter, schließlich haben wir ja noch einiges vor in Indien. Wir planen, mit dem Bus erst mal nach Ponicherry zu fahren, einer französisch geprägten Stadt am Golf von Bengalen, etwa 100Km Richtung Süden. Nach der Busnummer und Abfahrtszeit haben wir uns schon erkundigt, dann wollen wir mal sehen, was morgen auf uns zu kommt...
Zurück zur Homepage